Inspirationen

Shiho Hilde Lauth Sensei

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Was ist ein Koan?

Betrachtungen von Genno Roshi Pagès

Das chinesische Wort „Kung-an“ war ursprünglich kein buddhistischer Terminus, sondern stammte aus dem Bereich der Jurisprudenz. Es setzt sich zusammen aus den Zeichen KUNG (公): Magistrat oder Richter und AN (案): Tisch oder Bank. In der Folge entstand die erweiterte Bedeutung: ein schriftlicher Erlaß, welcher auf den Tisch des Magistrats gelegt wurde, d.h. eine vor ein Gericht getragenene Angelegenheit oder das darüber schriftlich verfaßte Urteil eines Richters.

Später erhielt KUNG die Bedeutung „öffentlich“, „offiziell“, indem es sich auf einen universellen oder verallgemeinernd absoluten Standpunkt bezog, im Gegensatz zum Schriftzeichen SHI oder SHIAN, welches „privat“ oder „partiell“ bedeutet und eine Haltung bezeichnet, die auf meine subjektive Meinung, meine Ideen, meine Glaubensgrundsätze und Vorurteile gründet. „Privat“ und „partiell“, da sie auf einer Auslegung und einer Erfahrung eines „begrenzten Ichs“ beruhen, welches in Meinungen und Vorurteilen verstrickt ist und mich somit daran hindern, zum Universellen vorzudringen und meine wahre Natur und die aller Erscheinungen zu erkennen.

Was seine Form betrifft, ist ein Koan im Allgemeinen ein Dialog zwischen einem Meister und seinem Schüler gefolgt von einem Kommentar. Es gibt daher mindestens drei Stimmen: die des erwachten Meisters/der erwachten Meisterin, die desjenigen/derjenigen der/die nach Erleuchtung strebt und die des Kommentatoren, meistens ein erwachter Meister, dem der dargestellte Dialog bekannt ist und der ihn dazu inspiriert, seine eigenen Schüler zum Erwachen aufzufordern. Der Kommentar ist also in keinem Fall eine Erklärung oder Erläuterung des Koans. Viel eher ist er ein Aufruf und eine Ermutigung noch tiefer in den dargestellten Fall einzudringen, sich den Inhalt des Koans selbst anzueignen, um mit dieser universellen Erfahrung eins zu werden.

Diese Dialoge berühmter Meister, die in den nachfolgenden Jahrhunderten zu großem Ruhm gelangten, zeichneten sich durch Vertraulichkeit, Spontaneität und der Benutzung alltäglicher Situationen und Gegenstände aus. Sie manifestieren den natürlichen Ausdruck eines Erwachten in seiner Interaktion mit demjenigen, der nach Erleuchtung strebt, indem der Meister spontan die Zutaten benutzt, die in der Situation selbst zur Verfügung stehen. Jeder Augenblick, jede Situation birgt für einen Erwachten sowie für den Suchenden in sich die Möglichkeit, Auslöser, Quelle des Erwachens zu sein. Wie sollte es auch anders sein? Zu welcher Dimension wollen wir erwachen, wenn nicht zu dem, was in diesem Augenblick da ist, zu unserem Leben, zum Leben überhaupt, in diesem Moment, der jenseits der Zeit ist, jenseits unserer Konzepte, jenseits unserer Projektionen, jenseits unserer Vorstellungen. Zu dem, was so sehr DA ist, so sehr vor unseren Augen, daß wir es nicht sehen können.

Ein Beispiel

Es ist die Geschichte eines Mönches, der vor kurzem in das Kloster Meister Joshus (ein berühmter Zen Meisters, der im 9.Jhd. in China lebte) eingetroffen ist. Man erlaubt dem Mönch eine Audienz beim Meister und er sagt ihm: „Ich bin gerade angekommen. Bitte, gebt mir eine Unterweisung, ich brauche Anleitung.“
Joshu antwortet: „Hast du schon gefrühstückt?“
„Ja“, antwortet der Mönch.
„Dann geh und spüle deine Schalen.“

In der Geschichte heißt es, der Mönch kam zu einer Einsicht.

Dieser Austausch fand im neunten Jahrhundert statt. Später, im dreizehnten Jahrhundert, schrieb Meister Mumon einen Kommentar zu diesem Gespräch: „Joshu öffnete seinen Mund und zeigte seine Gallenblase, er enthüllte sein Herz und seine Leber. Wenn der Mönch die Wahrheit nicht erfaßte, als er dies hörte, wird er eine Glocke für einen Topf halten.“

Und er fügte ein Gedicht hinzu:

„Weil es so sehr klar ist,
dauert es länger, bis man es erkennt.
Wenn du sogleich weißt, dass Kerzenlicht Feuer ist,
Ist das Mahl lange gekocht.“

Nehmen wir einmal an, daß der Mönch, der Meister Joshu aufsucht, jemand ist, der bereits eine ernsthafte Zen-Erfahrung hat, die es ihm erlaubt, geradewegs auf den Punkt zu kommen und aufrichtig seinen Wunsch zu erwachen zum Ausdruck zu bringen. Joshu ist ebenfalls sehr direkt in seinen Erwiderungen. Wie es der Kommentar beschreibt: Er zeigt seine Gallenblase, er enthüllt sein Herz und seine Leber! Ist es nur ein banaler Dialog? Oder ist es eine Unterhaltung voll unterschwelliger Anspielungen, ein kodifiziertes Gespräch mit einer tieferen Bedeutung, als es den Anschein hat? Und wenn es hingegen darum ginge, sowohl die eine als auch die andere Hypothese loszulassen, d.h. beide Geisteshaltungen, die mir erlauben, die Situation von bekannten Bezugspunkten aus einzuschätzen?

Ehe ich diese beiden Bezugspunkte loslasse, werde ich mich nicht daran hindern können, sie gründlich zu erforschen. Die erste Perspektive, aus der heraus es nur darum geht, zu frühstücken und dann sein Schalen zu spülen, wird mich nicht lange zufriedenstellen. Die zweite Perspektive wird wahrscheinlich schwerer zu ergründen sein: Was will Joshu eigentlich sagen? Welche Bedeutung verbirgt sich in seinen Worten? Worauf spielt er tatsächlich an? Ich beschreibe hier die Art und Weise, wie mein denkender Geist sich des Koans ermächtigen, ihn in alle Richtungen drehen und wenden wird. Vergeblich! Jedesmal, wenn eine Lösung mir möglich, plausibel, sinnvoll erscheint, werde ich den Meister im vertraulichen Einzelgespräch aufsuchen, ich werde ihm die Lösung darlegen, er wird sie ablehnen und mich auf mein Sitzkissen zurückschicken. Er wird keine Erklärungen akzeptieren, keine intellektuellen Kommentare, keine Präsentation, in der mein Getrenntsein von der Situation offensichtlich ist, keine Darlegungen, in denen ich mich auf alte Bezugspunkte, auf vorgefaßte Meinungen, auf Symbole oder Projektionen, welche sich auf Vergangenes oder Zukünftiges beziehen, stütze. Es geht also um ein Loslassen, das mich in eine Lage vollständigem Nicht-Wissens oder Nicht- Wiedererkennens tauchen wird. Ich weiß nicht mehr. Ich weiß nicht. Meine üblichen Bezugspunkte/ Maßstäbe funktionieren nicht mehr. Meine übliche Lesart der Welt versagt.

Der japanische Meister Zenkei Shibayama beschrieb den Koan mit folgender Analogie: Stellen Sie sich einen Blinden vor, der zögernd voranschreitet, indem er sich auf seinen Stock und seine Intuition verläßt. Die Rolle des Koans ist es, ihm gnadenlos den Stock wegzunehmen, ihn mehrmals sich um sich selbst drehen zu lassen und ihn dann zu Boden zu werfen. Der Blinde wird seine Orientierung, seine Bezugspunkte vollkommen verloren haben. Verzweifelt, verloren, wird er sich jedoch wieder aufrichten und seinen Weg fortsetzen müssen.

Man sagt, drei Eigenschaften seien für die Zen-Übung unabdingbar: Zweifel, Glaube (im Sinne von Vertrauen) und Entschlossenheit. Man sagt auch, sie seien proportional voneinander abhängig, d.h. je stärker der Zweifel, desto tiefer der Glaube und fester die Entschlossenheit. Die Arbeit an Koans fordert uns heraus, diese drei Eigenschaften kompromißlos und unablässig zu entwickeln. Der Blinde, dem man seinen Stock entzogen hat und der sich, von jedem Orientierungspunkt beraubt, am Boden befindet, sieht sich in tiefste Hoffnungslosigkeit und Zweifel gestoßen und wird nun gezwungen, Glauben und Entschlossenheit zu mobilisieren.

Wir alle tragen die grundlegende Frage „Wer bin ich?“ in uns. Man kann sagen, daß sie in allen Koans in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck kommt. Wenn ich sie angehe, indem ich mich auf altes Wissen und auf Erinnerungen dessen stütze, wer ich einst gewesen bin oder im Gegenteil auf Projektionen und Sehnsüchte, wer ich zu werden wünsche, dann bin ich nur mit Vorstellungen meiner selbst in Kontakt. Es ist notwendig, alles, was ich von mir weiß, alle Ideen, Konzepte, Erwartungen loszulassen – vieles, woran ich besonders hänge – daß ich akzeptiere, nichts mehr über/von mir zu wissen. Das ist der „Große Zweifel“. Ein Zweifel, der alles auf seinem Weg wegfegt und der mich ganz und gar öffnet, so daß ich die unmittelbare Erfahrung meiner selbst, wer ich tatsächlich bin, machen kann. Und zwar nicht als getrenntes, festgelegtes Individuum sondern als Teil eines miteinander verbundenen Ganzen. Ich bin der Klang einer Glocke, die in der Ferne läutet, ich bin der Wind, der in den Bäumen weht, ich bin die Eiche im Garten, ich bin der hungrige Bettler, der mir seine Hand entgegenstreckt. Ich erkenne die Welt der Einheit, der Einheit des Lebens, die Welt des Nicht-Getrenntseins. Hakuin, ein Meister des achtzehnten Jahrhunderts, erfand folgendes Koan: „Wie klingt der Klang der einen Hand?“. Wenn ich die Welt des Eins-Seins erblicke, kann ich den Klang einer Hand, die klatscht, zum Ausdruck bringen.

Die ersten Koans werden auf diese Erfahrung des Eins-Seins insistieren. Viele von ihnen werden uns immer wieder auf die Nicht-Dualität von Subjekt und Objekt zurückführen. Denn ich bin bereit, die Glocke zu sein, die in der Ferne erklingt, aber ich habe weniger Lust, mich im hungrigen Bettler wiederzuerkennen.

Andere Koans werden eher auf die Vielfalt der Phänomene hinweisen, auf die Einzigartigkeit jeder Erscheinung. Wir glauben die Welt der Vielfalt gut zu kennen, es ist der Ort, an dem wir beständig funktionieren. Aber die Welt der Mannigfaltigkeit, an die wir so gewöhnt sind, ist die Welt der Getrenntheit. Wenn die All-Einheit, das Verbunden-Sein aller Phänomene erkannt wird, dann sehen wir die Welt der Unterschiedenheit nicht als die der Getrenntheit. Wir erkennen die Einzigartigkeit jedes Lebewesens, jedes Phänomens und gleichzeitig erblicken wir ihr Eins-Sein. Wir sind eins und wir sind verschieden. Weil ich erkenne, daß wir eins sind, sehe ich umso klarer, daß wir verschieden, einzigartig sind. Ich bin der andere und gleichzeitig bin ich in Beziehung mit dem anderen. Ich bin der Klang der Glocke und ich weiß, daß es sich um den Klang einer Glocke handelt. Vielleicht höre ich den Klang der Glocke, wie ich ihn noch nie vernommen habe, sehe ich einen Baum, als sähe ich einen Baum zum ersten Mal, blicke ich schließlich einen Menschen als gänzlich anderen und ebenso als ganz und gar mich selbst an. Das ist es, was Suzuki Roshi den Anfängergeist nannte, einen offenen, frischen vorurteilslosen Geist, ein Geist des Nicht-Getrennt-Seins.

Ein Mönch fragte Joshu: „Welchen Sinn hat es, daß Bodhidharma nach China kam?“ Bodhidharma brachte, aus Indien kommend, den Buddhismus nach China. Warum kam er? Welche ist die Bedeutung dieser Lehre, die er mitbrachte? Worum geht es wirklich? Dieser Satz, „Welchen Sinn hat es, daß Bodhidharma nach China kam?“, wurde oft benutzt, um diese Frage zu beschreiben, die, weil sie so grundlegend ist, nicht ausgedrückt werden kann. Auf diese Frage antwortet Joshu: „Die Eiche im Vorgarten.“

In diesem Augenblick ist Joshu im Zustand des Nicht-Getrennt-Seins. Er ist die Eiche und er sieht die Eiche. Der Beobachter ist verschwunden, nur noch reines Bewußtsein dessen, was IST: „die Eiche im Vorgarten!“ Was ich hier sage, ist keinesfalls die Antwort auf das Koan. Im Einzelgespräch mit der Meisterin bezüglich dieses Koans ist der Schüler/ die Schülerin aufgefordert, seine/ ihre unmittelbare eigene Erfahrung auszudrücken, hier und jetzt – in diesem Augenblick. Indem sie mit diesem Koan meditiert und nachdem sie einige Ideen und Projektionen daran erschöpft haben, werden die Übenden wie Joshu in der Lage sein, seine spontane gegenwärtige Präsenz auszudrücken.

Das Koan bringt uns dazu, die Erfahrung der Unmittelbarkeit jedes Augenblicks zu machen, immer mehr in dieser sich ständig wandelnden Unmittelbarkeit zu verweilen und sie in unserem Handeln zum Ausdruck zu bringen. Das Koan ist kein Rätselraten; wenn ich die Antwort auf eine Rätselaufgabe kenne, wird alles klar, selbst dann wenn mir die Antwort durch jemanden anderen gegeben wird. Bei einem Koan spricht man nicht so sehr von einer „Antwort“, eher von einem „Präsentieren“. Wie werde ich das Koan ausdrücken? Das kann mit Gesten geschehen, mit Worten, mit allem, was meinem Geist und meinem Körper zu Verfügung steht. Man „präsentiert“ ein Koan, heißt: Man offenbart mit Körper und Geist ganz und gar die Erfahrung dieses Augenblicks, Ausdruck eines vollkommen persönlichen Prozesses, von dem nichts zurückgehalten wird. Die Antwort eines anderen auf ein Koan wird für mich nur Sinn machen, wenn sie auch meine Antwort darstellt. Die Antwort eines anderen auf ein Koan zu kennen, ist viel eher ein Hindernis in diesem Prozeß des Loslassens meiner Vorstellungen, Konzepte und Meinungen, die mich von der unmittelbaren Situation trennen. Es wird diesen Prozeß behindern, indem es die verstandeslastigen Überlegungen wie z.B.: „Wenn ich von dieser Frage ausgehe, wie gelange ich dann zu jener Antwort?“ verstärkt.

In dem Maße, in dem diese Antwort nicht ursächlich meine ist, wird sie mir entweder enigmatisch oder platt oder aber, im schlimmsten Fall, wie ein Spiel erscheinen, ein Streich, den die Meister ihren Schülern spielen, um sie in die Absurdität zu stürzen. Es ist daher offensichtlich, daß man jemandem, dem man einen Hinweis auf eine mögliche Antwort auf ein Koan gibt, einen sehr schlechten Dienst erweist. Mit ziemlicher Sicherheit hat man ihm die Tür zu diesem Koan versperrt.

Ein anderes Koan: „Wie rette ich einen hungrigen Geist?“ Es handelt sich hier nicht darum, eine Reihe von sehr gutherzigen Ideen aufzuzählen, wie ich Menschen ernähren kann, die unmöglich alle gesättigt werden können. Wir werden einen anderen Weg einschlagen: Eins-Sein mit dem hungrigen Geist, wirklich erkennen, daß der andere ich selbst bin (und dafür wird es höchstwahrscheinlich notwendig sein, daß ich einige Vorstellungen, die ich über mich selbst habe, loslasse!) und sodann dem vertrauen, was sich spontan als Folge dieser Erfahrung des Eins-Sein enthüllt. Es kann durchaus sein, daß die Erfahrung des Eins-Seins mit diesem Koan „Wie rette ich einen hungrigen Geist?“ im Daisan-Raum nicht zufriedenstellend zum Ausdruck kommen kann, und daß sie uns in viel größerem Umfang mit sich reißen wird …

Eins-Sein mit einer Situation heißt, die spontane Antwort auf diese Situation, ihre Unvorhersehbarkeit zu akzeptieren und diesem Wesen, das ich nun mal bin, in seiner Art, sich auszudrücken, zu vertrauen, aber einem ICH, das weit über das hinausreicht, womit ich üblicherweise identifiziert bin.

Die Koans werden mich in eine große Vielfalt von Situationen hineinführen. Jede Begebenheit wird neu sein. Wenn ich mich ihr mit der Erinnerung an die vorhergehende zuwende, werde ich scheitern. Ich bin dann getrennt von der Situation, meine Antwort wird eine verstandesmäßige sein. Wie verführerisch ist es doch, einer Einsicht, einer Erkenntnis anzuhaften! Im vorangegangenen Koan habe ich etwas erkannt und so bin ich geneigt, diesen Einblick beim folgenden wieder anzuwenden. Aber welche Erleuchtung ich auch immer erfahren habe, in dem Augenblick, in dem ich ihr anhafte, in dem Augenblick, in dem ich sie dem gegenwärtigen Augenblick überstülpe, d.h. in dem Augenblick, in dem getrennt bin von dem, was IST, stimmt die Einsicht nicht mehr! Aus diesem Grunde gibt es das Koan: „Wie trittst du vorwärts von der Spitze eines Fahnenmastes, der hundert Fuß hoch ist?“ Es fordert uns heraus, unseren Mast loszulassen, das loszulassen, was wir erlangt, was wir erkannt haben und einen Schritt weiter zu gehen. Wie gehen wir einen Schritt weiter? In jeder Situation ist die Antwort eine andere. Es ist wie in unserem Leben und das Koan ist nicht verschieden von unserem Leben. Es ist unser Leben selbst mit all seinen Zweifeln, seinem Scheitern, seinem Loslassen, seinen dunklen Augenblicken, seinen Momenten großer Klarheit und Folgerichtigkeit und seinen ewigen Veränderungen. Das Koan ist eines der Mittel – denn es gibt derer viele andere – das uns Zugang zur Erfahrung der Einheit und der Vielfalt des Lebens verschafft, Zugang zur Erkenntnis des Bezüglichen und des Absoluten und das uns den Ausdruck dieser Erkenntnis auf einer bewußten und nicht auf einer verstandesgeprägten Ebene erlaubt.

Ein letzter Aspekt in der Arbeit mit einem Koan, über den ich sprechen möchte, ist die Beziehung zur Lehrerin. Eine sehr persönliche Beziehung, da wir ihr bei jedem Schritt alleine im Einzelgespräch von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten werden – und es sind unzählige Schritte! Sie ist Zeuge, Zeuge unserer Erforschung, unserer Unwissenheit, unseres Versagens, unserer Zweifel, unserer Erkenntnisse, auf die sie uns nicht ausruhen lassen wird, uns immer wieder ermutigend, noch einen Schritt weiter zu gehen! Sie wird uns sowohl in unserem Zweifel als auch in unserem Vertrauen und unserer Entschlossenheit bestärken. Mal Anleiterin, mal Spiegel, ist sie auch Vertreterin jener Generationen von Lehrern, welche von Generation zu Generation diese alten Geschichten, nachdem sie sich diese ganz und gar zu eigen gemacht, in dem Bestreben weitergegeben haben, ihre Schüler zu ihrem wahren Sein zu erwecken, zu dem, was universell, was absolut ist (KUNG), welches vollkommen über unsere begrenzte Identifikation hinausgeht und sich jedoch in jedem Augenblick durch diese begrenzte Identität ausdrückt.